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Dunkle
und helle Welten ...
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erreichten wir am Sonntag, an welchem wir uns ganz und gar
der Hauptstadt widmen wollten. So wollten wir gleich am Vormittag
im Stadtteil Isotry ein typisches madegassisches Freilufttheater
besuchen (Hira Gasy). In unserem Reiseführer wurde glaubhaft
beschrieben, dass dieses Spektakel jeden Sonntagvormittag stattfindet.
Nun: Es fand nicht statt, vielleicht fanden wir es auch nicht,
und ich muss zugeben, dass wir es nach etwa 45-minütiger Erkundigung
des Viertels auch gar nicht mehr finden wollten.
Der westlich des Bahnhofs gelegene Stadtteil Isotry ist ein Elendsviertel,
wie man es auf dieser Welt wohl lange suchen muss. Es beginnt mit weiten öden
Flächen neben den Bahngleisen, die als freier Markt genutzt werden. Hier wird
alles verkauft, was anderswo auf dem Schrottplatz landet. Nicht wenige sitzen
hier vor ein paar rostigen Schrauben oder Autoersatzteilen aus der Kolonialzeit
und warten müde auf Kundschaft. Die Menschen auf der Straße sind ausschließlich
in Lumpen gekleidet. Dringt man weiter vor, wird es immer ärmlicher und dreckiger,
der Gestank nahezu bestialisch. Zwar überall Stände mit Obst, Gemüse, Geflügel
und Fleisch, aber alles nicht einladend. Überquert man einen Bahnschranken,
ist man an einem Fluss angelangt, der trübe und tiefschwarz vor sich hintümpelt.
An dessen Rand sind sie nun wirklich - die Wellblechhütten; und die hygienischen
Verhältnisse sind noch schlimmer als in jenen Slums, die ich in Bombay gesehen
habe. Vom Hira-Gasy-Theater war freilich nichts zu sehen, und da wir mit unseren
Füßen nicht weiter im Morast versinken wollen, dessen Schlamm ab und zu von
einem vorbeiziehenden Zebu-Karren aufgespritzt wird, nehmen wir das erstbeste
Taxi - einen uralten R4, der jeden Moment zusammenzubrechen droht. Auch der
greise Chauffeur macht diesen Eindruck.
Unser Ziel: der Rova in der Oberstadt, also der alte Königspalast, der 1996
fast vollständig abgebrannt ist. Vor dem Tor des Königspalasts bestätigt sich
der Eindruck, dass in Tana alles brachliegt und man sich auch nicht wirklich
bemüht, die wenigen Sehenswürdigkeiten instand zu setzen bzw. den Touristen
zugänglich zu machen. Das Tor zum Palast war verschlossen und blieb es auch.
Was blieb, war ein Blick durch die Gitterstäbe auf das Tor mit dem Bronzeadler
und die Grundmauern des abgebrannten Palasts.
Es
ist auch beschaulicher, den Weg über die steilen Gassen hinunterzugehen,
vorbei an hübschen Bürgerhäusern, deren gepflegte Fassaden
mit zweifellos reichen Bewohnern ganz im Gegensatz zu den am
Vormittag gesehenen Elendsviertelbewohnern stehen. Hier oben
in der Oberstadt gibt es große, saubere Gärten, bunte Häuser
mit breiten Balkonen, viele Kirchen und Privatschulen, alles
ist erfüllt von einer Ruhe, die Balsam für unsere Seelen ist.
Es muss irgendwann recht spät an diesem Tag gewesen sein, dass
S. mir sagte, dass in jenen Elendsvierteln von Antananarivo
immer wieder die Pest ausbricht.
Die Ruhe, die wir kurz darauf im Hotel Indri finden wollen, wird durch zwei
Stunden zäher Verhandlungen mit William zunichte gemacht. William will
uns eine Fahrt mit seinem Cousin durchs zentrale Hochland verkaufen, wir
müssen lange handeln, um den teuren Preis nach unten zu drücken. Nachdem
wir dies erschöpft geschafft haben, setzt sich schon der nächste "Vertreter" an
unseren Tisch. Ein glatzköpfiger Betsileo aus Fianarantsoa mit dem Habitus
eines Wahrsagers auf einem Jahrmarkt, welcher uns Edelsteine verkaufen
will. S. fragt eher spaßhalber nach Diamanten, worauf der Mann verlautet,
die Stimme fast unhörbar im Flüsterton gesenkt, ja, es gäbe auf Madagaskar
Diamanten, aber niemand weiß, wo sie zu finden seien, außer er selbst und
die Regierung, die allerdings alle Diamanten für sich behalte, weil sie
ausgesprochen egoistisch sei. S. lässt sich noch auf ein längeres Gespräch
mit ihm ein, ich bin zu müde, um diesem zu folgen. Schließlich packt der
Mann seine Steinchen unverkauft wieder ein, und wiederum bleibt keine Zeit
mehr für Rast, denn jetzt wollen wir essen.
Mit dem Taxi hin und wieder zurück, gerade zwei Minuten Fahrt, dazwischen liegt
das "Saka Manga", ein sympathisches Restaurant und Hotel, ganz in
Holz gehalten mit geschmackvollen Schwarz-weiß-Fotografien an den Wänden und
jeder Menge Globetrotter an den Tischen. Auffallend der große Anteil europäischer
Männer, die hier mit madegassischen Mädchen vorzufinden sind. Thailändische
Zustände? Ich esse zum ersten Mal Ramozava, die Nationalspeise, eine Art madegassisches
Gulasch mit Rindfleisch und gekochten Maniokblättern, das ganz ausgezeichnet
schmeckt.
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